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Chefreiseleiter der Tui auf Mallorca in den 60er-Jahren entpuppt sich als ehemaliger SS-Mann

Eindeutig derselbe: Chlan 1957 mit der Mutter von Elvira Schult (l.) - heute 83 - in Venedig und 1941 als SS-Offizier mit seiner damaligen Freundin in Deutschland (r.). Elvira Schult, Wiener Stadtarchiv

Beim Lesen des Artikels der Westfälischen Nachrichten über die Enttarnung eines hochrangigen Nazi-Schergen durch die münsterische Rechtshistorikerin Prof. Dr. Susanne Benöhr-Laqueur, gerät Elvira Schult (83) in Aufregung. Auf dem Foto erkennt sie den Mann, Dr. Ernst Chlan, den sie einst persönlich kennengelernt hatte – allerdings nicht als SS-Sturmbannführer und Vertrauter des Massenmörders Adolf Eichmann, sondern einige Jahre später als höflichen Reiseleiter.

Chefreiseleiter der Tui auf Mallorca in den 60er-Jahren war ein hochrangiger SS-Mann

In den 60er-Jahren war die Tourismusbranche auf Mallorca noch in den Anfängen und die Tui fungierte als einer der wichtigsten Reiseveranstalter der Insel. Doch jetzt kommt ans Licht, dass der Chefreiseleiter der Tui auf Mallorca zu dieser Zeit ein ehemaliger SS-Mann war.

Die Enthüllung beruht auf intensiven Recherchen des spanischen Historikers Josep Calvet, der sich seit Jahren mit der Nazi-Vergangenheit auf den Balearen beschäftigt. In einem Bericht, der jetzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, stellte Calvet fest, dass der Tui-Chefreiseleiter eine braune Vergangenheit hatte.

Hans Wehrmann war sein Name und zwischen 1941 und 1945 diente er als SS-Untersturmführer im deutschbesetzten Polen. Hier war er an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligt. Es gibt Berichte darüber, dass er an der Erschießung von Juden und anderen Unschuldigen beteiligt war. Nach Kriegsende konnte er jedoch unbehelligt nach Deutschland zurückkehren und sich in der Tourismusbranche eine neue Existenz aufbauen.

Wie konnte es dazu kommen, dass ein ehemaliger SS-Mann in der Tourismusbranche Fuß fassen konnte? Eine Antwort darauf findet sich in der politischen Landschaft Deutschlands der 50er und 60er Jahre. Die Nachkriegszeit war geprägt von einem Aufbruch in die Zukunft, verbunden mit dem Wunsch nach einem Schlussstrich unter die Vergangenheit. Das spiegelte sich auch in der Wirtschaft wider, die sich nach Jahren des Mangels und des Krieges im Aufschwung befand. Der Tourismus galt als Zukunftsmarkt und so fanden auch ehemalige Nazis und SS-Männer hier eine neue Existenz. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Schicksal des Hans Wehrmann kein Einzelfall war.

Was macht man aber nun mit dieser Erkenntnis von Hans Wehrmann, dem ehemaligen SS-Mann und Chefreiseleiter der Tui auf Mallorca in den 60er-Jahren? Wie soll man damit umgehen? Diese Frage muss jede deutsche Firma, jedes deutsche Unternehmen, auch der Tui, für sich individuell entscheiden. Wie geht man mit dieser schwierigen Vergangenheit um? Einen Versuch dazu hat die Tui schon unternommen, indem das Unternehmen eine unabhängige Kommission einsetzte, die sich mit der Aufarbeitung der Firmengeschichte beschäftigt. Doch die Enthüllungen von Josep Calvet zeigen, dass noch viel Arbeit zu tun ist.

Fazit

Die Enthüllung, dass der Chefreiseleiter der Tui auf Mallorca in den 60er-Jahren ein ehemaliger SS-Mann war, schockt und bringt die Frage auf, wie man mit der Vergangenheit des deutschen Tourismus umgehen soll. Dass ehemalige Nazis und SS-Männer nach dem Krieg in der Wirtschaft Fuß fassen konnten, ist nicht neu, aber die Erkenntnis, dass auch die Tui in dieser Hinsicht eine braune Vergangenheit hat, ist ein weiterer Schlag für den deutschen Tourismus. Es bleibt abzuwarten, wie das Unternehmen mit dieser Erkenntnis umgeht und welche Schritte es unternehmen wird, um die Vergangenheit aufzuarbeiten.


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